Vor einigen Monaten wies
mich eine verzweifelte Frau aus Zwiesel auf ihr Schicksal hin und bat,
einmal dem heiklen Thema Impfen von Säuglingen nachzugehen. Zur
Vorbereitung einer
Präsentation in der Gesellschaft für
außergewöhnliche Ideen verfaßte ich folgende
Gerichtsreportage:
Königlich
bayerisches Schwurgericht in Deggendorf
Als ob es
nicht genüge, dass der jungen Familie Herzog in der Nacht vom 2.
auf den 3.
Oktober 2003 plötzlich die vier Monate alte Tochter Laura-Patricia
stirbt.
Nein, zu all dem Übel wird der Säugling - nach Diagnose des
Notarztes, des Kinderarztes
sowie des Krankenhausarztes eines plötzlichen Kindstodes
gestorben, - am
nächsten Tag hinter dem Rücken der bedauernswerten Eltern von
der Deggendorfer
Staatsanwaltschaft in die Gerichtsmedizin der Landeshauptstadt
München gebracht
und im Beisein zweier Dorfpolizisten seziert. Postwendend verhaften
dieselben
Polizeibeamten den Vater Stefan (23), weil die Münchner
Gerichtsmedizin unter
Professor Dr. Wolfgang Eisenmenger glaubt, dieses Kind sei erstickt
worden. Der
Beschuldigte weiß nicht, wie ihm geschieht, als er nach der
schicksalsträchtigen
Nacht von der Deggendorfer Staatsanwaltschaft stundenlang verhört
wird und die
hyperaktive Ermittlungsrichterin Gisela Schwack schließlich den
Haftbefehl
ausstellt. Die Gefängniszelle muß sich der
Maschinenführer mit einem Frauenvergewaltiger
teilen, der in 15 Fällen zu sieben Jahren und anschließender
Sicherungs- verwahrung
verurteilt werden wird. Er ist der einzige, der ihn trösten
könnte, denn seiner
Frau wird der Besuch verboten. Das junge Ehepaar Herzog Auch
in Frauenau im
Bayerischen Wald, nahe der tschechischen Grenze, wird der trauernden
Mutter
Sabrina (21) und ihrer zerstörten Familie das Leben zur Hölle
gemacht.
Lokalzeitungen gerieren sich einmal mehr als Erfüllungsgehilfen
der
Deggendorfer Staatsanwaltschaft und berichten vom Kindsmord ohne
Rücksicht auf
Anstand und Persönlichkeitsrechte, veröffentlichen Bilder
ohne Balken, schreiben
die vollen Vor- und Familiennamen, der Reporter von RTL-explosiv
klettert bei
Lauras Beerdigung für exklusive Filmaufnahmen sogar über die
Friedhofsmauer.
Nur die Nachbarn in der kleinen Ortschaft halten zu ihr und ihrem Mann.
Niemand
traut dem gutmütigen Stefan zu, seine über alles geliebte
Tochter umgebracht zu
haben.
Gott sei Dank gelingt es der Mutter, einen anderen Gerichtsmediziner hoch oben im Norden für ihr Schicksal zu interessieren. Direktor Bernd Brinkmann, Gerichtsmediziner in Münster, läßt sich die Akten und asservierten Leichenteile aus Bayern schicken und übernimmt den Fall. Vierzig Jahre lang hat sich Professor Brinkmann mit Leichen, hauptsächlich Kinderleichen, und dem plötzlichen Kindstod beschäftigt. Schnell erkennt er, dass die Münchner Kollegen fundamentale Fehler gemacht haben. Eine Feinuntersuchung schien ihnen nicht notwendig. Jetzt will der Norddeutsche einem Lebenden helfen, ehe der in der Zelle vor die Hunde geht. Die Untersuchungen der Münchner Kollegen sind nämlich nicht nur unvollständig, ihre wage Schlussfolgerung, „vermutlich Tod durch äußeres Ersticken“ ist deshalb unkorrekt. Das Kind müsse nicht vom Vater erstickt worden sein, vielmehr sprechen alle Umstände für den plötzlichen Kindstod. Noch am Tag des Eintreffens dieses Münchner Gegengutachtens beim Deggendorfer Landgericht wird Stefan nach achteinhalb Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen, ist als „Kindsmörder“ nicht länger den Schikanen der Mitgefangenen und Wächter ausgesetzt. Sein Boss stellt ihn sofort wieder ein. Das Deggendorfer Landgericht will sich nach der Stellungnahme aus Münster nicht die Finger verbrennen und die Hauptverhandlung wegen Totschlags eröffnen. Aber zwischenzeitlich hat der Münchner Staranwalt Steffen Ufer die Verteidigung des Beschuldigten übernommen. Mit einem mal hat die Beschwerde der Deggendorfer Staatsanwaltschaft Erfolg. Die Verflechtungen der Bayerischen Justiz sind tief und unergründlich. Das Münchner Oberlandesgericht zwingt die Deggendorfer Kollegen, dem Stefan den Prozess zu machen. Der arme Kerl ahnt nicht, dass er nur der Knüppel ist, mit dem einige Münchner Juristen aus zwar unterschiedlichen, aber dennoch gerechtfertigten Gründen endlich einmal auf ihre Gerichtsmedizin einschlagen wollen. Jetzt ist die Gelegenheit günstig, die Messer sind aufgeklappt. So verwundert es nicht, dass die Formulierung des Tötungsvorwurfs in der Anklageschrift erstaunlich diffus wie knapp gehalten ist: „Die Staatsanwaltschaft legt
aufgrund ihrer Ermittlungen dem Angeschuldigten folgenden Sachverhalt
zur Last:
Am Abend des 02.10.2002 hielten sich der Angeschuldigte, seine Ehefrau
...,
seine leibliche Tochter Laura-Patricia ... und sein 2-jähriges
Stiefkind
Anna-Lena in der gemeinsamen Wohnung auf. Da beide Kinder
kränkelten, unruhig
waren und sich gegenseitig störten, ging Frau Herzog mit Anna-Lena
gegen 22.00
Uhr ins Schlafzimmer, während der Angeschuldigte mit
Laura-Patricia auf der
Couch im Wohnzimmer blieb und im Fernsehen das Fußballspiel
zwischen Dortmund
und Eindhoven ansah. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen
22.30
und 24.00 Uhr erstickte der Angeschuldigte seine Tochter
Laura-Patricia. Für eine
Zeitdauer im kurzem Minutenbereich hielt er ihr entweder Mund und Nase
zu oder
presste ihren Brustkorb mit erheblichem Kraftaufwand zusammen. Er nahm
den
Erstickungstod des sich zwangsläufig wehrenden Kindes zumindest
zwangläufig in
Kauf. Laura-Patrica verstarb daran am 03.10.2002 um 0.45 Uhr im
Krankenhaus
Deggendorf. Der Angeschuldigte wird daher beschuldigt, vorsätzlich
einen
Menschen getötet zu haben.“ Der
Angeklagte Stefan vor dem Schwurgericht
Die Staatsanwaltschaft läßt
geschehen, daß die Lokalpresse das Fußballspiel als
Tatmotiv verknappt. Zum
seinem Glück fragten die Pressbengel nicht, von welch einem
Menschenbild die
Deggendorfer Staatsanwaltschaft geplagt ist, wenn sie einem liebevollen
und
fürsorglichen Vater unterstellt, das kränkelnde Kind auf
seinen Armen wegen
eines dämlichen Fußballspiels erstickt zu haben? Wess’
Geistes Kind ist der
Gerichtsmediziner Professor Randolph Penning, der sein schlampiges,
angeblich
wissenschaftliches Gutachten als Sachverständiger vor Gericht mit
seiner
eigenen Subjektivität zu rechtfertigen sucht: er sei
ja im Grunde ein friedliebender und ausgeglichener Mensch, könne
sich aber sehr
gut vorstellen, unter gewissen Umständen auch sein Kind
umzubringen. Recht beginnt
da, wo Vernunft aufhört. Sonst brauchte man es nicht. Mit gesundem
Menschenverstand sind beide, Staatsanwalt Josef Scheichenzuber und
seine
Münchner Gerichtsmediziner Randolph Penning, ziemlich gering
ausgestattet, denn
sonst wäre ihnen aufgefallen, dass das Fußballspiel zum
Todeszeitpunkt seit
mehr als einer Stunde vorüber war. Selbst Sportreporter und
abgehalfterte
Fußballspieler hatten zum Todeszeitpunkt des Kindes ihre
langatmige
Kommentierung des Spiels längst eingestellt. Zum Todeszeitpunkt
der kleinen
Laura sendeten die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten
Spätnachrichten, einige
Kommerzsender mehr oder weniger leicht- und schlechtbekleidete Damen,
ein
anderer die Werbung für Stützstrümpfe. Als Tatmotiv
für einen Totschlag böten
sich folglich einem guten Juristen wie einem
Gerichtsmediziner diese Darbietungen ebenso an wie
ein Fußballspiel.
Der fürsorgliche
Vater hatte am Abend seine kranke Tochter einige Zeit vor Mitternacht
in den
Armen gewiegt und war darüber selbst auf dem Küchensofa
eingenickt. Er hatte in
der Nacht vorher nur wenig geschlafen, war um fünf Uhr morgens
aufgestanden und
musste bis spät abends körperlich schwer arbeiten. Dann
hielten ihn die beiden
kranken Kinder auf Trab. Er war rechtschaffen müde. Für
Fußball,
Spätnachrichten und Zellulitis interessiert er sich nur am Rande.
Als er um
Mitternacht aufschreckte, lag der Säugling vor ihm auf den
Fußboden und
„schnaufte nicht mehr“. Welch ein Grauen hat diesen armen Mann starr
gemacht,
welchen Selbstvorwürfen setzte er sich in diesem Moment aus? Wie
erklärt er seiner
Frau nebenan im Schlafzimmer das Unglück? Oder ist das alles nur
ein böser
Traum? Eben schlief der Winzling noch in seinem Arm, und plötzlich
liegt er vor
seinen Füßen. Es ist ihm unvorstellbar, was mit seiner
Tochter in der
Zwischenzeit passiert sein könnte. Ist Laura tot? Starb sie an
seiner Brust,
oder starb sie durch den Sturz? Hatte er sie fallen lassen, oder im
Schlaf gar
von sich gewiesen? Hat er sein eignes Fleisch und Blut erdrückt,
im Schlaf
erstickt, mit seinen großen Händen getötet, durch seine
etwas ungelenkige Art
zerbrochen? Für die ein
wenig klotzig wirkenden Vertreter der Deggendorfer Staatsanwaltschaft
gilt
nicht unser aller Lebensweisheit „Wer schläft, sündigt
nicht“. Sie fragen auch
nicht, warum weder die Mutter Sabrina noch einer der drei behandelnden
Ärzte in
Frauenau auf den Verdacht des Totschlags an dem Säugling gekommen
sind. Ihnen
ist das Gefühl einer Mutter und die Diagnose „Todesursache SID“
(plötzlicher
Kindstod) erfahrener Ärzte schlichtweg schnuppe. Statt dessen
fabulieren die
Staatsanwaltschaft ebenso straf- wie verantwortungslos: „Im Minutenbereich hielt er ihr
entweder Mund und Nase zu oder presste ihren Brustkorb mit erheblichem
Kraftaufwand zusammen.“ Beweisen kann
sie ihre schwerwiegenden Unterstellungen nicht, selbst ihr
Münchner
Gerichtsgutachter sieht sich auf der Suche nach Beweisen dafür
überfordert.
Verzweifelt sucht er die These des Staatsanwaltes „des sich zwangsläufig wehrenden
Kindes“ zu
stützen, aber es finden sich an dem Säugling keinerlei
Anzeichen auf äußere Gewalt. Bei einem „sich
zwangsläufig wehrenden Säuglings“
hätten sie zwangsläufig zu finden sein müssen. Dennoch
werden diese Hinweise
auf Gewalt durch die Spezialisten der Münchner Gerichtsmedizin
konstruiert,
indem sie auf Punktblutungen im Kopfbereich verweisen. Diese
Punktblutungen
gelten den Gerichtsmedizinern als sicheres Indiz fürs Ersticken.
Da an der
Leiche partout keine anderen Spuren von Gewalt zu finden sind, sei der
Täter
eben äußerst behutsam vorgegangen, wird spekuliert. Erheblich
weniger kriminelle Phantasie legt der Gerichtsmediziner aus
Münster an den Tag.
Professor Brinkmann erklärt sich die Punktblutungen durch die
über zwei Stunden
andauernden ebenso ungewöhnlichen wie drastischen
Wiederbelebungsmaßnahmen des
Notarztes, Kinderarztes und Krankenhaus- arztes. Die Süddeutsche
Zeitung titelte
darauf hin zum Vorwurf des Totschlages ebenso freimütig wie
lapidar: „Der
Notarzt war’s“. Festgenommen
und in die Zelle des Vergewaltigers gesperrt wurde der Ernährer
der Familie nur
aufgrund des vorläufigen – und unüberprüften - Befundes
der Münchner Gerichtsmedizin.
Weitere Indizien gab es nicht. Mit der Ausfertigung des
Gutachtens ließen sich alle staatlichen Seiten monatelang Zeit.
Der
Verdächtigte sitzt schließlich sicher in Haft, und an diesem
Gutachten gibt es
nichts zu rütteln. Wer will, kann und mag den Sach- und
Fachverstand der
Münchner Gerichtsmediziner anzweifeln? Schließlich sehen sie
ihre Arbeit – nach
eigenen Angaben – als den „letzten Dienst am Toten“ und erscheinen
immer wieder
auf den Bildschirmen als Sachverständige in ungeklärten
Todesfällen. Sie sind
die Herren der Halbgötter in Weiß, denn dem Urteil der
Gerichtsmediziner haben
sich Richter wie Staatsanwälte, und ganz besonders die Angeklagten
zu beugen.
Unsere Gerichtsmediziner bestimmen zwar nicht über Leben und Tod,
jedoch über
das Schicksal der Lebenden, also hauptsächlich der Hinterbliebenen. Nicht selten kann man
Gerichtsmediziner, vornehmlich bei den spektakulären
Kapitaldelikten,
medienwirksam vor und in unseren Gerichtssälen antreffen. Fast
täglich
erscheint einer von ihnen auf dem Bildschirm, um als „Held des Alltags“
sein
unumstößliches Urteil in einem unaufgeklärten Mordfall
zu verkünden. Für ein öffentliches
Statement sind sich diese Professoren niemals zu schade und lassen sich
gern
herab, dem gemeinen Publikum die eigene Wichtigkeit mitzuteilen.
Eventuelle
Einwände ersticken sie im Keim mit dezenten Hinweisen auf ihre
Möglichkeiten,
sich des technischen Fortschritts zu bedienen. Ein Gefühl von
Peinlichkeit
scheint ihnen fremd zu sein. Sorgfällig pflegen sie ihr Bild als
mittelalterlicher
Handwerker in weißer Schürze und mit schwerem Werkzeug in
der Hand. Nur sie
können in einen Menschen hineinschauen. Selbst mit spezieller
Computertomographie, die in kürzester Zeit und zu geringen Kosten
einer Leiche
vollautomatisch und unbestechlich die Geheimnisse ihrer Todesursache,
-umstände
sowie -zeitpunktes entlockt, behalten sich Gerichtsmediziner vor, die
objektiven Erkenntnisse unbestechlich zu interpretieren. Gern pflegen
sie den
Nimbus des Unbestechlichen. Die Leichenschau ist ihr Monopol, das
Monopol ist
ihr Geschäft. Ein Geschäft muß heutzutage beworben
werden. Medienpräsenz erhöht den
Marktwert, der in einem kleinen monatlichen Zubrot zwischen 24.000,-
und
27.000,- Euro zum Ausdruck kommen kann. Bei einmal genehmigter
Nebentätigkeit
fragt natürlich niemand mehr, ob diese Einnahmen nicht letztlich
dem
Lehrbetrieb der Universität entzogen sind. Medienpräsenz erlaubt dieser
Zunft, kräftig mit privaten Expertisen für die
Versicherungsgesellschaften und
Pharmakonzernen abzukassieren. Wenn diese sogar unter dem Briefkopf der
Universität erstellt sind, wird sich jedermann hüten, an der
Seriosität der Gutachter
zu zweifeln. Wer sich nicht einschüchtern lässt, gerät
in die Mühlsteine von
Gerichtsmedizin, Münchner Justiz und bayerischer Politik, wie zum
Beispiel der
Erdinger Mediziner Günther Holzgartner.
Er starb darüber vor Gram. Ironie des Schicksals: Selbst seine
Leiche war noch
der Münchner Gerichtsmedizin ausgeliefert. Sie fand sich auf dem
Seziertisch
seines Prozessgegners Eisenmenger wieder. In seinem Nachlass hatte
Holzgartner geschrieben: „In Bayern hat Eisenmenger so eine Macht, dass
er
alles niederwalzen kann.“ Holzgartner
sollte wenigstens mit dieser Aussage Recht bekommen. Vergeblich rannte
er
jahrelang gegen ein Unfallgutachten Eisenmengers an und wurde trotz
zweier
Gegengutachten zwischen Gerichten und Bayerischem Landtag
aufgearbeitet. Die
Münchner Gerichtsmedizin ist eben tabu. Doch die
gerichtsmedizinische Untersuchung der toten Laura war der Tropfen, der
das Fass
in München zum Überlaufen brachte. Nach fast einem Jahren lag
es endlich vor
und war nun überprüfbar. Stefans Frau Sabrina fand einen
Gerichtsmediziner, der
nicht mehr um sein Leben fürchtet und sich wagt, der
selbstherrlichen Münchner
Koryphäe und seinem süddeutschen Clan auf die Finger zu
klopfen. Wenigstens dem
Vater der kleinen Laura sollte erspart bleiben, für Jahre im Loch
zu verfaulen.
Professor Brinkmanns hieb- und stichfestes Gutachten sowie seine
Reputation
überzeugten sogar das Deggendorfer Landgericht. Das Deggendorfer Schwurgericht Gerichtssäle sind überall
auf der Welt ein Ort des Schreckens. Doch die darin wirkenden Juristen
verfügen
über Gestaltungsmöglichkeiten. Hatten Zuschauer und Presse
anfangs noch
befürchtet, im Januar 2005 im niederbayerischen Deggendorf `mal
wieder einer
Justizposse beiwohnen zu müssen, so sah man sich schon bei der
ersten Frage des
Vorsitzenden Richters, dem Stellvertreter des Präsidenten des
Deggendorfer
Landgerichts, eines Besseren belehrt. Dr. Anton Nachreiner will schon
mit
seiner ersten Frage an alle Prozessbeteiligten, Presse wie Zuschauer,
wissen,
was es mit dem Auszug der medizinischen Daten des Kinderarztes Dr.
Volker
Bekelaer auf sich hat. Nach diesem ist die kleine Laura am Tag der
Geburt mit
einer Achtfachimpfung auf dieser Welt begrüßt worden.
Natürlich spekulierte der
Vorsitzende öffentlich nicht weiter über diese Impfung als
mögliche Todesursache
des Säuglings. Doch es ist deutlich zu merken, dass er und seine
beisitzenden
Richter längst die Möglichkeit erwogen haben, in diesem
Prozeß nur die Erfüllungsgehilfen
der Pharmazeutischen Industrie zu sein. Vielleicht bewegt sich das hohe
Gericht
in der Deggendorfer Schickeria, vielleicht hatte ihm dort jemand
zugetragen,
dass der Kinderarzt Dr. Bekelaer nach dem Tod der kleinen Laura sofort
den
Münchner Lobbyisten der Pharmaindustrie informiert, dieser der
Staatsanwaltschaft
telefonisch den Hinweis auf mögliche Gewalteinwirkung gegeben hat.
Diese These
könnte erklären, warum die Deggendorfer Staatsanwaltschaft
trotz der Diagnosen
des Notarztes, Kinderarztes und Krankenhausarztes auf plötzlichen
Kindstod den
Verdacht auf Gewalteinwirkung eingeimpft bekam und in München um
ein
dementsprechendes Gutachten der Gerichtsmedizin bat. Der Kinderarzt als Zeuge tut
ob der Frage des Vorsitzenden Richters nach dem Auszug der
medizinischen Daten
erstaunt. Dann aber hat er schnell eine Erklärung parat: dieser
Eintrag auf
eine Achtfachimpfung am Tag der Geburt sei nur eine formelle Kopfzeile
seiner
Datenaufzeichnungen. Bei jedem, der sich in seiner Praxis behandeln
ließe,
würde diese Kopfzeile mit der imaginäre Impfung angelegt
werden. Selbst bei
einem Sechzigjährigen, fügt der Kinderarzt – ohne sichtbare
Zeichen von Scham -
hinzu. Der Zeuge wurde aus gutem Grund nicht vereidigt. Da auch alle anderen
Prozessbeteiligten das Thema Impfen und Impfstudien der
Pharmazeutischen
Industrie tabuisieren, beschließt Richter Dr. Nachreiner, dieses
heiße Thema
ebenfalls schnell zu den Akten zu legen. Schließlich, so kann er
sich auf die
Strafprozessordnung berufen, hat er keine neuen Untersuchungen zu
führen,
sondern hier und jetzt durch die Hilfe der beiden Gerichtsmediziner
herauszufinden,
welchem Gutachten er glauben soll und ob der Angeklagte sein Kind
erstickt hat.
Ob das Impfen zum Tod der kleinen Laura führte, hat bislang
niemand für nötig
befunden zu untersuchen. Elf Monate nach dem Tod der kleinen Laura
hatte der
Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch im Zwieseler Lokalteil der
Passauer
Neuen Presse per Leserbrief kundgetan: „Kein einziger Gutachter sieht
nur den geringsten
Anhaltspunkt für einen Impfschaden. Es wird lediglich diskutiert,
ob das Kind gewaltsam
erstickt ... worden ist.“ Nach dieser Parole hüteten
sich seine Untergebenen von der Staatsanwaltschaft, einen
dementsprechenden
Auftrag zu erteilen oder Beweisanträge zu stellen. Sie weigerten
sich sogar
trotz einiger ernstzunehmender Hinweise beharrlich, zumindest ein
Ermittlungsverfahren
einzuleiten. Schon im Vorfeld schmetterten sie die Strafanzeige der
Mutter
gegen den Kinderarzt ab. Nur so ist es erklärbar,
dass der Staatsanwalt selbst trotz dem zweistündigen Vortrag von
Professor
Brinkmann auf eine Verurteilung des Angeklagten drängt und sieben
Jahre Haft
fordert. Zweifel kommen weder ihm noch seinem Vorgesetzten Helmut
Walch. Jetzt
geht es nicht mehr um den eventuellen Tod durch Impfungen von
Säuglingen,
sondern um die Reputation der Münchner Gerichtsmedizin. Bliebe sie
auf der
Strecke, entstünde sogar immenser politischer und wirtschaftlicher
Schaden für
Deutschland. Die türkische Öffentlichkeit müßte in
Zukunft nie mehr das
Ergebnis einer gerichtsmedizinischer Untersuchung aus Deutschland
schlucken.
Eine schwangere Gastarbeiterin war nach dem Besuch bei der
Münchener
Kinderärztin von drei deutschen Rowdies erschreckt und
anschließend zusammengeschlagen
worden. Dabei verlor sie ihr Kind. Die gesamte türkische Presse
brodelte und
beklagt die ausländerfeindlichen Verhältnisse in Deutschland.
Zwei Tage später
ließ das Münchner Institut für Rechtsmedizin - entgegen
der eindeutigen Erklärung
der Kinderärztin - offiziell verlautbaren, die Schwangere habe das
Kind schon
tagelang tot im Bauch getragen. Für die
Deggendorfer Staatsanwaltschaft hätte sich durchaus eine
Möglichkeit ergeben,
ohne Gesichtsverlust aus ihrem selbstverschuldeten Dilemma
herauszufinden.
Professor Wolfgang Eisenmenger hatte nämlich im Vorfeld der
Gerichtsverhandlung
in der Zeitschrift „Focus“ zu Lauras Untersuchung eingestanden: „Wir
haben
Fehler gemacht. Es ist mir peinlich.“ Als Zeuge oder Gutachter
hätte Professor
Eisenmenger dem Deggendorfer Gericht diese Fehler präzisieren und
damit der
Staatsanwaltschaft den Wink geben können, endlich die Akten
zuzuklappen. Doch
Professor Eisenmenger lässt seinen Stellvertreter Penning die
Suppe auslöffeln.
Eisenmenger hat Besseres zu tun, als in Deggendorf peinliche Fragen
beantworten
zu müssen. In Augsburg steht `mal wieder ein Schauspieler vor
Gericht, der
seinen Steuerberater nicht umgebracht hat. Zu diesem muß er sich
auf die Bühne
stellen. Diesem Komödianten kann er in die Augen schauen und
muß eine von ihm
zerstörte junge Familie nicht um Verzeihung bitten. Es ist mehr
als fraglich,
ob Eisenmenger mit seinem Eingeständnis, es sei ihm peinlich, das
von ihm
verursachte Leid gemeint hat. Niemand weiß, wie viele Menschen
durch seine
Gutachten unschuldig hinter Gittern schmachten, von
Versicherungsgesellschaften
ruiniert, bei Erbschaftsangelegenheiten übers Ohr gehauen wurden.
Unsere
Gerichte verlassen sich bei ihren Entscheidungen nicht nur bei Mord,
Selbstmord
und Totschlag auf die Gerichtsmedizin, sondern neben
Arbeitsunfällen ganz
besonders in unzähligen Klagen wegen Alkohol am Steuer. Nicht
auszumalen,
welche Einflussmöglichkeiten ein parteipolitisch ambitionierter
Direktor der
Gerichtsmedizin hätte, wenn ihm ein – wie in Bayern nicht
unüblich – betrunkener
Politiker in die Hände fiele. Professor
Eisenmenger ist es nicht unangenehm, eine junge Familie nach dem
plötzlichen
Kindstod noch tiefer ins Unglück gestürzt zu haben, sondern
daß er dabei
erwischt wurde. Nicht der Fehler ist peinlich, sondern dass ihm endlich
jemand
auf die Schliche gekommen ist. Deshalb gießt er dem Staatsanwalt
im selben Artikel
jede Menge Benzin ins Feuer: „Mir ist lieber, der Fall wird nicht
geklärt, als
dass ein Unschuldiger sitzt.“ Doch der Tod
der kleinen Laura ist zumindest für dieses Schwurgericht
geklärt. Sie starb
nach Brinkmanns feingeweblichen Untersuchungen an den Folgen eines
Herz-Kreislauf-Versagens
durch einen Infekt der oberen und unteren Atemwege und der bakteriellen
Superinfektion anderer Organe. Der durch die Münchner Kollegen
festgestellte
Tod des Kindes durch gewaltsames äußeres Ersticken vom Vater
sei schlichtweg
unzutreffend. Im Grunde
weiß darum auch Staatsanwalt Josef Scheichenzuber, lässt
sich jedoch als echter
Rechthaberer nicht vom Vorsitzenden ins Gewissen reden. Die
Atmosphäre der
Gerichtsverhandlung wird plötzlich absurd. Sind wir im
Komödienstadel oder
immer noch im weißblauen Landgericht? Dem Staatsanwalt wird vom
Landgericht in
einer öffentlichen Verhandlung vorgeworfen, mit seinen
Beweisanträgen
rücksichtslos den Prozess zu verschleppen. Ein seltenes und
deshalb besonders erheiterndes
Erlebnis. Auch die Drohung von Richter Dr. Anton Nachreiner, der
Öffentlichkeit
von der Staatsanwaltschaft Dinge mitzuteilen, die niemand für
möglich hält,
fruchtet nicht bei diesem sturen Niederbayern. Ziemlich barsch
lässt sich
schließlich der leitende Staatsanwalt vom wütenden Richter
ins Beratungszimmer
bitten. Leider dringt nichts durch die dicken Türen. Obwohl die
Gerichtsverhandlung
nicht unterbrochen wurde, dürfen Stefans Verteidiger, Albert
Lohmeier und
Johann Schwenn, nicht an dieser „Beratung“ teilnehmen. Dafür aber
der Oberstaatsanwalt
Anton Walch. Währenddessen bewacht sein Untergebener
Scheichenzuber wie
Zerberus die Tür von außen. Doch die Ankläger bleiben
stur. Jetzt endlich soll
Professor Eisenmenger als Zeuge geladen werden. Die Staatsanwälte
sind
betriebsblind Sie ahnen nicht einmal, dass dann das Fiasko perfekt
werden wird.
Und zum Beweis dafür, dass Stefan im Vollbesitz seiner geistigen
Kräfte und
gleichzeitig in der Lage ist, sein Kind umzubringen, soll das
psychologische Gutachten,
das während der Untersuchungshaft erstellt worden war, durch
seinen Verfasser
erläutert werde. Dem Richter
reicht es jetzt. Sein Blutdruck steigt gefährlich hoch. Doch weder
der
Angeklagte, geschweige denn seine Verteidiger, oder gar das
fassungslose Publikum
sind nun seinem Zorn ausgesetzt. Seitdem Professor Penning hintenrum
auch noch
versucht hatte, wie ein albanischer Hütchenspieler ein weiteres
Gutachten
seiner Münchner Kollegen als Beweismittel über den Kopf des
Gerichtsvorsitzenden
hinweg in die Verhandlung einzubringen, ist es vorbei mit dem
königlich bayerischen
Schwurgericht. Den Richter interessiert erst einmal nicht, wer dieses
weitere
Gutachten in Auftrag gegeben hat und wer es aus welcher Kasse bezahlen
soll,
sondern was denn die Preußen (in Karlsruhe) von uns in Bayern
denken sollen? In
Deggendorf steht mit einem mal nicht nur das Ansehen der
Gerichtsmedizin auf
dem Spiel, sondern die deutsche Rechtssicherheit im Jahr 2005 droht auf
der Strecke
zu bleiben. Trotzdem
stellt Staatsanwalt Scheichenzuber störrisch seine beiden
Beweisanträge. Seine
Begründung beginnt er in aller Öffentlichkeit
tatsächlich mit dem alten Sponti-Spruch:
„Du hast keine Chance, aber nutze sie.“ Wie weit sind bayerische
Juristen
eigentlich gekommen, dass sie bei einer Anklage wegen Totschlags die
alten
Durchhalteparole der Spassguerilla für sich in Anspruch nehmen? Nun macht das
Gericht wirklich kurzen Prozess. Es lehnt die Beweisanträge der
verbohrten
Staatsanwaltschaft offiziell ab und spricht im Namen des Volkes den
Angeklagten
endlich frei. Das Gericht fand weder im Fußballspiel noch sonst
wo ein
überzeugendes Tatmtotiv. Die von der Münchner Gerichtsmedizin
unterstellte
Gewalteinwirkung konnte letztlich nicht bewiesen werden. Die Kosten des
Verfahrens
trägt die Staatskasse. Für den Fall, dass die
angekündigte Revision der Staatsanwaltschaft
in Karlsruhe Erfolgt haben sollte, kündigt der Vorsitzende Richter
zum
Erstaunen aller an: „Wenn mein Urteil aufgehoben werden sollte, dann
kann ich
der Münchner Rechtsmedizin nicht mehr helfen. Dann melde ich mich
als Zeuge und
sage aus, was mir Professor Eisenmenger persönlich zu diesem Fall
gesagt hat.“ Unter diesen
Umständen möchte man hoffen, dass der Revision stattgegeben
und dieser Prozeß
noch einmal aufgerollt wird. Doch die Umstände sind niemanden,
geschweige denn
einer braven Familie im Bayerischen Wald weitere Jahre lang zuzumuten.
Und
niemand weiß genau, welche Kräfte in dieser Zeit im
Hintergrund wirken. Nicht
das Recht hat in Deggendorf gesiegt, sondern die Pharmazeutische
Industrie. Die
dramatische Auseinandersetzung zwischen den Koryphäen der
deutschen
Gerichtsmedizin ist ein Nebenkriegsschauplatz, der plötzliche
Kindstod der
kleinen Laura auch nur eine These. Die Beantwortung der Frage nach dem
Tod
durch Impfen wurde erfolgreich umschifft: „Das sind Spekulationen.
Außerdem ist
das nicht Gegenstand des Verfahrens, weil in den Gutachten von
Impfschäden
nicht die Rede ist“, äußerte sich Oberstaatsanwalt Walch im
Vorfeld. Klar, auch
die Gerichtsmedizin wird sich hüten, danach zu suchen. Anständig
wäre gewesen, wenn zum Freispruch für Stefan auch eine Bitte
um Entschuldigung
für das zweijährige Leid seiner Familie gehört
hätte sowie das Versprechen des
Richters, den durch die Justiz verursachten Schaden mit allen
staatlichen
Möglichkeiten wiedergutmachen zu wollen. Statt dessen beabsichtigt
das Gericht,
ihm bei Rechtskraft des Urteils für die erlittene Haft von 256
Tagen eine Entschädigung
in Höhe von 10,- Euro pro Tag zu zahlen. Natürlich erst nach
Abzug der
Haftkosten und der an seine Frau in dieser Zeit geleisteten
Sozialhilfe. Doch von
einem deutschen Gericht Anstand zu erhoffen, ist zuviel erwartet. Statt
sich
mit dem Freisprechen zu begnügen, entpuppt sich der Vorsitzende
Richter Dr.
Anton Nachreiner als gnadenloser Jurist und tritt in der
Urteilsbegründung auf
den eh schon am Boden Liegenden: Das Gericht könne den Angeklagten
nicht uneingeschränkt
freisprechen, da „gewisse Zweifel bleiben“, behauptet er in
öffentlichen
Verhandlung. Deutlich ist damit sein Bedauern zu vernehmen, dass ihm
der Angeklagte
Stefan Herzog noch einmal von der Schippe gesprungen ist. Die
Lokalpresse
berichtet natürlich prompt über das Gerichtsurteil: „Einen
Persilschein kann
das Gericht nicht ausstellen.“ Trotz Freispruch bleibt Stefan somit
für den
Rest seines Lebens gebrandmarkt. Den Tod seiner Tochter kann er
vielleicht im
Laufe der Zeit verdrängen, der Meinung seiner niederbayerischen
Mitmenschen
aber auf Dauer nicht ausweichen. Armin Witt München, am
7. Februar 2005 |